GEMA gibt wieder mal auf …

Ein Erfahrungsbericht von Angela Kobelt aus den Jahren 2019 bis 2022

Wir danken Angela für ihre freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung und hoffen, dass ihr Bericht auch für andere GEMA-Geschädigte hilfreich ist.

Dezember 2020

Am 14.12.2020 bekomme ich erneut Post von der Kanzlei. Zu Beginn des Schreibens ist barsch von den angeblich aufgelaufenen Zinsen, Mahnkosten und Kosten für vorgerichtliche Tätigkeiten die Rede. Unser Verein sei nun also schon mit mehr als 1000 Euro in den Miesen. Dann geht der Text weiter mit, Zitat:

»Es ist nunmehr das gerichtliche Streitverfahren durchzuführen, weil Sie gegen den Mahnbescheid Widerspruch erhoben haben und kein relevanter Grund für Ihren Widerspruch ersichtlich ist. Bitte bedenken Sie: Die Kosten für das gerichtliche Streitverfahren und der evtl. folgenden Zwangsvollstreckung betragen in der Regel ein Vielfaches der bislang angefallenen Kosten und sind auch von Ihnen zu tragen! Sie können das gerichtliche Streitverfahren und die daraus resultierenden, weiteren Kosten vermeiden, indem Sie die genannte Forderung erfüllen und EUR 1006,24 bis 24.12.2020 (Geldeingang) auf unser unten genanntes Konto unter Angabe unseres Aktenzeichen überweisen. Bei fruchtlosem Fristablauf werden wir jedoch sofort das gerichtliche Streitverfahren einleiten!
Mit freundlichen Grüßen
XXX
Rechtsanwalt«

Gerichtliches Streitverfahren? Zwangsvollstreckung? Zahlung bis spätestens Heiligabend? Beim Lesen merke ich, wie mein Herz immer schneller schlägt. Spätestens jetzt ist der Moment gekommen, an dem ich gerne eine qualifizierte Einschätzung von einer Person mit abgeschlossenem Jurastudium und Expertise in Sachen GEMA hätte. Aber niemand aus unserem Verein kennt so jemanden. Und Geld ausgeben für eine anwaltliche Beratung möchten wir auch nicht. Schließlich sind wir ein gemeinnütziger Verein, der durch Projektmittel und Spenden existiert. Meine innere Finanzministerin ist sparsam; ich möchte, dass das Geld auf dem Vereinskonto für schöne Dinge ausgegeben wird und hoffe, dass das Recht auch ohne anwaltliche Hilfe auf unserer Seite ist.

Nachdem sich mein Puls wieder etwas entschleunigt hat, habe ich einen Gedanken im Kopf, der sich ungefähr so anhört „Wenn der Herr Rechtsanwalt wirklich überzeugt von der Forderung wäre, hätte er doch schon längst die Klageschrift formuliert. Stattdessen schickt er wieder einen Drohbrief. Obwohl das Mahnverfahren bereits eingeleitet wurde.“
Mein Optimismus wächst wieder. Vielleicht ist ja doch noch Platz für Sachargumente? Ich schreibe:

»Sehr geehrte Damen und Herren,
in Ihrem Brief vom 14.12.2020 teilen Sie uns mit, dass Sie ein „gerichtliches Streitverfahren“ gegen uns durchführen möchten.
Bevor Sie dieses einleiten, möchte ich Ihnen folgendes zu bedenken geben:
Beim Buntega! Festival […] wurde keine gema-pflichtige Musik gespielt.
Es traten auch keine KünstlerInnen auf, die einen Vertrag mit einer Verwertungsgesellschaft haben.
Buntega! ist ein Kulturfestival, kein Musikfestival.
Zielgruppe sind Jugendliche und junge Erwachsene mit und ohne Migrationshintergrund. Es gibt selbstorganisierte Workshops zu handwerklichen, künstlerischen und anderen Themen (westafrikanische Küche, nordamerikanische Weberei, Fotografie, kreatives Schreiben, Schmuckherstellung, kurdischer Volkstanz, Trommeln, Gitarre, HipHop-Lyrics uvm.). Ein Teil der Workshopergebnisse wird beim gemeinsamen Abschlussabend präsentiert.
Musik wird ausschließlich live performt.
Tonträger u. ä. kommen nicht zum Einsatz. Bei den gespielten Musikstücken handelt es sich um Variationen traditioneller Volksmusik sowie um eigene musikalische Arrangements, selbstgetextete Lyrics aus dem HipHop-Workshop, erste Kompositionsversuche sowie spielerische Improvisationen von Jugendlichen. […]«

Damit wäre doch alles gesagt  dachte ich.

März 2021

Ich erhalte eine Antwort auf mein Dezember-Schreiben. Erneut wird ein Klageverfahren angedroht. Hatte ich wirklich darauf gehofft, dass Argumente etwas bewirken würden?

1. April 2021

Ich schreibe meinen zweite (und letzten) Brief an die Kanzlei. Er besteht fast ausschließlich aus Inhalten meines letzten Schreibens, die ich stumpf mit copy and paste übertrage.

Sommer 2021

Keine Antwort.

Herbst 2021

Keine Antwort.

Winter 2021/22

Keine Antwort.

Anfang 2022

… ist immer noch keine Reaktion da. Das erste mal leuchtet ein blasser Hoffnungsschimmer auf: Sollten „die“ sich etwa doch von sachlichen Argumenten überzeugen lassen? Ist jetzt alles vorbei?