19. Oktober, abends noch geschäftlich unterwegs nach München, da kann man ja fast nur Bayern 3 hören. Es kommt eine Meldung über Supertramp, und was wird anschließend gespielt? Ich ahnte es schon zehn Sekunden vor dem Intro: The Logical Song natürlich, was anderes haben die Jungs ja kaum gemacht; weiß der Geier, wie sie den Rest ihrer erfolgreichen elf Alben praktisch nur mit It’s Raining Again und Breakfast in America gefüllt haben, ohne daß einer was gemerkt hat.
Immer wieder erstaunlich, wie gut es die heute üblichen Schmalspur-Radioprogramme (der Fachausdruck dafür lautet formatiertes Programm) schaffen, das Wirken von Künstlern auf ein einziges ihrer Werke zu reduzieren. Daran erkennt man einen fähigen Musikredukteur (das u ist kein Tippfehler). Erst paßt er sich dem Horizont seiner Hörer an, engt ihn damit noch weiter ein, und dann begründet er das damit, daß die Leute ja nichts anderes hören wollen.
Nein, ich bin jetzt ungerecht. Der Gestalter der Sendung kann nämlich nichts dafür, das Problem fängt schon weiter vorn an: Schon längst werden beim Sender keine CDs mehr abspielt, sondern ein zentraler Musikserver, zum Bersten gefüllt mit MP3-Dateien, bedient per Netzwerk alle angeschlossenen Studios. Da ist natürlich nicht mal von Sting oder Paul Simon das Gesamtwerk drauf, sondern nur das, was halt gebraucht wird. Mit anderen Worten: das, was alle sowieso schon kennen.
Als frühmorgens am 10. November Deutschlandradio Kultur – ein vielseitiges, gut anhörbares Programm, von dem ich mich hier zum Glück wecken lassen kann – den Tod von Miriam Makeba meldete, war bedauerlicherweise mein einziger Gedanke dazu: „Oh nein, heute werden sie uns mit Pata Pata nur so überschwemmen!“ Bälder als gedacht: kurz vor sieben im Auto schalte ich SWR1 ein, um die Nachrichten zu hören ... zwei Takte genügten. So schnell war ich selten zum zweiten Mal auf dem Ein-Aus-Knopf. Wobei das Lied ja gar nicht schlecht ist; was mich daran nervte, war ja nicht das Liedl an sich, sondern ... sagt mal, ihr Musikreduktionen: was soll das?
Bin ich da wirklich so exotisch? Von einem guten Radioprogramm – und gerade einem öffentlich-rechtlichen, das es nicht nötig hat, sich anzubiedern! – erwarte ich Überraschungen, Frisches, Seltengehörtes, Raritäten – Musik, die zwar weniger bekannt, aber deshalb nicht weniger hörenswert ist, also im großen und ganzen eine Erweiterung meines Horizontes, auch in kultureller Hinsicht – und nicht den dreitausendsten Aufguß eines Teebeutels, auch wenn der Tee mal sehr gut schmeckte. Wie Another Day in Paradise klingt, wissen wir mittlerweile. Alle.
DR-Kultur hat übrigens nach der Meldung nicht „Pata Pata“, sondern ein anderes Lied von Miriam gespielt, das ich nicht kannte. Das will zwar nichts heißen, aber: na bitte, es geht doch!
PS: Als ich diese Meldung schrieb, kannte Google das Wort Musikredukteur noch nicht. Ich beantrage hiermit ein Copyright ☺